Cristina Ohlmer hat das Cité Stipendium gewonnen und stellt im Schwarzen Kloster aus
Gratulation, Cristina Ohlmer! Just hat die Freiburger Künstlerin das Cité Stipendium des Landes Baden-Württemberg gewonnen: ein halbes Jahr wird sie in ein Pariser Atelier einziehen, das gerade ein anderer Freiburger Künstler bewohnt: Herbert Maier. Ohlmer hat sich die Flucht verdient – jahrelang hat sie ihr Freiburger Atelier zum Labor verwandelt, um akribisch die Perspektivenverschiebungen, Grenzlinien und Auflösungserscheinungen der Kunst zu untersuchen, sie auf ihre Zeichen, Metaphern und Mythen abzuklopfen, sie zwischen Raum und Zeit zu dechiffrieren und zu dekonstruieren, in eine neue Grenzenlosigkeit zu überführen: Worte, Bilder, Objekte. Peu à peu hat Ohlmer dabei ihre eigene Mythologie geschaffen: Ihre Objekte sind in die Unendlichkeit führende Kunsträume. Die gigantischen Glas-Kasten-Installationen, in denen sich der Blick um Ecken biegt, zu Durch-, Ein-, Aus- und Umsichten verführt. Oder ihre gestapelten Glasscheiben, in denen die Genesis des Objektes in ständiger Mutation, in allgegenwärtiger Bewegung erscheint. Eine Kunst, die Anfang und Ende längst aufgegeben hat. Die Welten schafft, die von Schmetterlingen, Elfen und Krabbeltieren bevölkert werden – Platzhaltern für das Geheimnisvolle, das Unergründbare.
Nun stellt Cristina Ohlmer ihre neuesten Werke in der Städtischen Galerie im Schwarzen Kloster aus. Auf den ersten Blick eine neue Cristina Ohlmer. Zu sehen: Werke, die in Berlin entstanden sind. Bar-Ambientes. Die Elfen-Königin zeigt Alltagsvampire in ihren Thekenlandschaften: Menschen, die aus Fenstern schauen, Menschen, die durch Fenster beschaut werden: Thekenhelden, Melancholiker und Barmänner. Eigentlich Pop-Art-Ambientes, die aber ihrer grellen, aufdringlichen Insignien beraubt sind. Nicht bunt gemalt, sondern verschwindend inszeniert, als Glas auf Glas gezaubert. Ohlmer zeigt großformatige Scheiben, spielt dabei mit der Durchsichtigkeit, gibt konsequent die herkömmliche Dimension des Bildes auf, um Raum zu schaffen: Das Bild beherbergt nicht nur das Objekt auf ihm, sondern auch das Vor und Hinter dem Bild, das Wann und Wo des Lichtes. Die Motive, Menschen, Interieurs, Geschichten gar, bleiben Statisten, Fatamorganas, die erscheinen und verschwinden. „Aqua Tonica“ nennt Ohlmer ihr Verfahren – ein Kunst-Cocktail, der schwindelig macht. Bodenlos. Haltlos. Besoffen. Und traumtrunken. So luftig leicht, so kristallgefroren die Bilder scheinen, so schwer ist der Arbeitsprozess: Die Motive werden als Glas aufs Glas gebracht und in einen hoch-erhitzten Industrieofen geschoben. Heraus kommt eine Leichtigkeit, die sich, wie bei anderen Werken Ohlmers, nun absolut der Kitsch-Kritik entzieht, die das Objekt der Kunst, seine Mythologie zu verstecken, ja zu verweigern scheint um sie auf anderer Dimension zu entblättern – in der Unendlichkeit des Raumes zwischen Betrachter und Bild. Woher Ohlmer kommt, ist im Nebenraum zu sehen: Hier hängen ihre doppelten und dreifachen Glas-Bilder: Auf unterschiedlichen Schichten, eng gedrängt, tummeln sich ihre noch schillernd bunten Zauberwesen – schon hier schleichen sich die Bar-Figuren auf neuen Dimensionen ein. Ohlmer scheint ihre eigene Mythologie entrümpelt zu haben, ohne dabei ihre inhaltliche Besetzung über Bord geschmissen zu haben. Nach Freiburg und Berlin warten wir nun auf neue Welten – diesmal aus Paris. Bon voyage!
(Axel Brüggemann, Kultur Joker, Freiburg, März 2001)