„Seltene Nacht“: Neue Arbeiten von Cristina Ohlmer in der Freiburger Galerie G.
Die Farbe fließt in den Himmel der Maler. Sie fließt und fließt. Man könnte sich darin versenken, denn in Cristina Ohlmers „Malerhimmel“ schaut man wie in eine Brunnenschale. Vom Rand her rinnen die Schlieren, verdichten, durchmischen sich zu einem Bild nie endender Bewegung – von einem Deckenprojektor auf die Emailwand geworfen. Dem statisch Festen war die Künstlerin schon immer abhold, was zur Folge hat, dass ihr quecksilbriges Werk als Ganzes schwer zu fassen ist. Bedient sie doch sämtliche Medien, um jenes spontane Erleben, dass sie selbst auf ihre Bildideen brachte, dem Betrachter zugänglich zu machen. Es ist eine Methode der poetischen Verfremdung, ja der Weltverzauberung im Kleinen, die auch in ihrer neuen Ausstellung in der Galerie G aufscheint – etwa am Filmstill eines Wunschbaums in den „Duftbergen“ – ja, so heißen sie wirklich.
Von Mai bis Juni vergangenen Jahres lebte die Freiburger Künstlerin im Rahmen eines Stipendiums der Basler Merian-Stiftung in Peking. Mit Körben voller Fotos und dem Kopf voller Ideen ist sie heimgekehrt. Betont unspektakuläre Motive, das Glück einer Augenblicksentdeckung festhaltend: etwa den Moment, als ein Lichtfleck hinter einem Schrubber ihr vorgekommen war, als habe hier jemand Licht in die Ecke gewischt. Der romantische Fensterblick Richtung Fernost. Nicht das offizielle China, die Problematik, die Sehenswürdigkeiten, sondern das Ephemere bündelt dieser Blick; die halbstündige Filmansicht des mit windbewegten Zetteln behängten „Wunschbaums“ gibt solcher Kunst das Tempo vor. Nur wer sich Zeit nimmt, wird verzaubert. Etwa von den „Wortfächern“, unwillentlich verballhornte europäische Markenzeichen und Sprüche, die chinesische T-Shirts veredeln sollen: „Bee mei honey“. Ohlmer hat solches auf traditionelle chinesische Fächer appliziert, um das Kuriosum dieses „Kulturtransfers“ zu verstärken. Einen der Fächer schenkte sie dem inzwischen inhaftierten Künstler Ai Weiwei.
Wie gut sich das von ihr entwickelte Verfahren der „Tuscheregenzeichnung“ – Gegenstände und Menschen als Verdichtung oder Leerstelle im regelmäßigen Vertikalmuster – auch zur Vermittlung von Reise-Eindrücken eignet, zeigt sie im Nebenraum. Auch hier die Freude am Ephemeren: Ein Mondaufgang über Peking – ein fast schon sensationeller Augenblick im Dunst der Millionenmetropole, ein Flugdrache auf einem Flohmarkt – als erhebe sich ein leibhaftiger Adler aus der Alltagsbanalität wie der Phönix aus der Asche. Farbflecken setzen rhythmische Kontrapunkte ins Schwarzweiß. Farbe, Licht und Transparenz sind von jeher Ohlmers Themen.
(Stefan Tolksdorf, Badische Zeitung, April 2011)